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13.05.2024

Zur Allgemeingültigkeit von Kennzahlen und KPI`s bei XaaS Unternehmen

Die digitale Transformation schreitet unentwegt voran und verändert die Anforderungen an Geschäftsmodelle in schier unbekannter Schnelligkeit und Weise. Dies bedeutet auch, dass Unternehmen gezwungen sind, sich mit den Wirkkräften der digitalen Transformation zu beschäftigen und sich anzupassen.

In vielen Artikeln wird immer wieder darauf hingewiesen, dass für XaaS-Unternehmen (Everything-as-a-Service) die Kennzahlen ARR, MRR, CAC und CLV ein MUSS sind. Diese pauschalen Aussagen sind jedoch völlig haltlos und entbehren jedweder Grundlage.

DALLE 2024-05-13 13.35.23 - XaaS.png                                                                       Quelle: DALL-E

Jedes Unternehmen und jedes Geschäftsmodell ist so individuell wie dessen Gründer oder das Management und die entsprechende Kundengruppe, die angesprochen werden soll. Dies gilt es zu berücksichtigen.

Besonderes Augenmerk haben in den letzten Jahren die sogenannten XaaS-Unternehmen (Everything-as-a-Service) erlangt. Befeuert wurde diese Art der Unternehmung insbesondere durch Trend zur Sharing Economy, welche nicht mehr das Eigentum des materiellen Gutes zum Ziel hat, sondern rein den Nutzen des Produktes/der Leistung in den Vordergrund stellt und damit ein Anschaffungsvorgang nicht mehr von Bedeutung für den Kunden ist, stattdessen ein Nutzungsentgelt entrichtet wird.

Im Rahmen der XaaS-Geschäftsmodelle haben sich eine Vielzahl an Möglichkeiten entwickelt, darunter zu nennen sind vor allem Infrastructure-as-a-Service (IaaS), Platform-as-a-Service (PaaS), Software-as-a-Service (SaaS) und sogar Data-as-a-Service (DaaS). Dies weiteren Möglichkeiten und Chancen für Gründer und Unternehmer im Bereich XaaS sind scheinbar endlos fortzuführen. Hierbei stellt sich jedoch die Frage, die kann solch ein Geschäftsmodell etabliert und vor allem auch mit Kennzahlen gesteuert und überwacht werden.

In vielen Artikeln wird stark pauschaliert und immer die gleichen Kennzahlen und KPI`s wie Annual Recurring Revenue (ARR), Monthly Recurring Revenue (MRR) oder Customer Acquisitions Cost (CAC) als “Allheilmittel” angepriesen oder sogar die Bewertung des Unternehmens auf teilweise zum Geschäftsmodell unpassende Kennzahlen aufgebaut. Dies ist jedoch mit großer Vorsicht zu genießen.

Steuerungsrelevante Kennzahlen für Unternehmen sollten mit Bedacht gewählt werden, sie sollten die Werttreiber des Unternehmens widerspiegeln und proaktiv gesteuert werden können. Zudem sind die Kennzahlen und KPI`s individuell in Abhängigkeit von der Art des Geschäftsmodells, der Art des Kundennutzens für welchen der Kunde bezahlen soll, die Art der Monetarisierung des Produktes sowie der Kostenstruktur des Geschäftsmodells auszuwählen.

Art des Geschäftsmodells und Wertschöpfung

Als ersten Schritt sollten sich Unternehmen im Klaren darüber sein ob das Geschäftsmodell als Pipeline-Geschäftsmodell oder als Plattform-Geschäftsmodell betrieben wird oder werden soll. Hierzu ist es empfehlenswert eine Analyse und Darstellung der Wertschöpfung durchzuführen.

Im Ergebnis sollte dann klar ersichtlich sein, ob eine traditionelle Wertschöpfungskette oder ein Wertschöpfungsnetzwerk Grundlage des Geschäftsmodells ist. Denn die Kostenstruktur und ökonomischen Abhängigkeiten von Wertschöpfungsketten in Pipeline-Geschäftsmodellen unterscheiden sich wesentlich von der sog. 0-Grenzkosten-Ökonomie in Wertschöpfungsnetzwerken bzw. Plattform-Geschäftsmodellen.

Nicht jedes SaaS-Unternehmen gleichzeitig auch ein Plattformunternehmen mit gleichnamigen Geschäftsmodell. Ein Unternehmen, welches im B2B-Umfeld ERP-Software (Finanzen, HR, Beschaffung, udgl.) im Rahmen einer Nutzungsüberlassung gegen Entgelt (SaaS) anbietet und dabei die Software in einer eigenen Cloud hostet, ohne netzwerkartige Anbindungen (APIs) zu anderen Anbietern und Dienstleistern, welche einen zusätzlichen Kundennutzen stiften und für gegenseitige Interaktion auf der Plattform sorgen, betreibt ein Pipeline-Geschäftsmodell.

Art des Kundennutzen und der Kundennutzungen

Während in altbekannten Pipeline-Geschäftsmodellen bzw. Wertschöpfungsketten die Ausbringungsmenge - sprich die Produktionsmenge - oder die Absatzmenge von entscheidender Bedeutung für die Bepreisung des Produktes ist, so ist im Hinblick auf digitale Güter und Services im Rahmen von Plattform-Geschäftsmodellen auf den jeweiligen Kundennutzen bzw. die Kundennutzungen als entscheidendes Kriterium abzustellen.

Ein Beispiel verdeutlicht diese Aussage. Während in früheren Zeiten für die Medienindustrie die Produktion von materiellen DVD´s die jeweiligen Kosten als Grundlage zur Bepreisung des späteren Produktes auf Basis der Herstellungskosten der DVD`s klar im Vorhinein zu kalkulieren war, muss nun ein Streamingdienstanbieter den Preis des monatlichen Abo`s auf Basis der Kosten seiner Plattform ermitteln, welche keinen variablen Bezug zur Produktion des Films oder anderer etwaiger physischer Güter hat. So sind neben den strukturellen Kosten der Plattform auch etwaige Kosten für Datennutzung und Datenmodelle erforderlich, welche im Rahmen der Analyse des individuellen Kundenverhaltens erforderlich sind. Ebenso müssen Überlegungen zur Marktdurchdringung und Anzahl aktiver Nutzer getroffen werden, welche bereit sind und vor allem bis zu welchem Grenzpreis ein Abo abzuschließen.

Art der Monetarisierung des Produktes

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der nicht vernachlässigt werden sollte, ist die angedachte Monetarisierung des Produktes. Soll das Produkt im Rahmen einer Flatrate bzw. Festpreislizenzen angeboten werden oder aber soll ein sog. Pay-per-Use-Abrechnungsmodell Anwendung finden. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf den zu kalkulierenden Verkaufspreis, aber auch auf den jeweiligen Werttreiber der Erlöskennzahl. So sind bei Flatrate/Festpreislizenzen die Anzahl der jeweiligen Kunden (Bestand/Neukunde) zur Bestimmung des jährlich oder monatlich wiederkehrenden Umsatzes (ARR oder MRR) durchaus valide. Mit Blick auf ein Pay-per-Use-Abrechnungsmodell hingegen ist die Anwendung einer ARR oder MRR als Steuerungs- oder Wertbestimmende Kennzahl kaum brauchbar, da das Wachstums des Erlöses hier vom individuellen Nutzenverhalten des Kunden abhängt und variabel ist und demzufolge eine verlässliche Anzahl an wiederkehrenden Nutzungen schwer ermittelbar ist.

Beide Modelle haben ihre Vor- und Nachteile. Während hingegen Flatrate/Festpreislizenzen eine gute Planbarkeit des Umsatzes während der Vertragslaufzeit des Kunden haben, ist jedoch das Wachstum auf die Anzahl der Neukunden in Verbindung mit der Durchsetzbarkeit etwaiger Preiserhöhungen begrenzt. Pay-per-Use-Modelle hingegen haben Ihre Schwächen in der Planbarkeit der generierbaren Umsätze, bieten jedoch gleichzeitig die Möglichkeit am Wachstum des eigenen Kunden durch die erhöhte Nutzung zu partizipieren.

Kostenstruktur des Geschäftsmodells

Als letzter maßgeblicher Einflussfaktor zur Auswahl der passenden Kennzahlen bzw. KPI`s ist die Kostenstruktur des Geschäftsmodells anzuführen. Hierbei ist es von entscheidender Bedeutung eine trennscharfe Kategorisierung in variable und fixe Kosten vorzunehmen. Fixe Kosten verhalten sich progressiv zur jeweiligen Basis, während hingegen variable Kosten proportional zur entsprechenden Basis verlaufen. Die Auswahl der korrekten Basis ist hier der Schlüssel zur korrekten Darstellung der Kostenstruktur.

Bei bekannten Pipeline-Geschäftsmodellen bzw. Wertschöpfungsketten ist die Basis zur Kategorisierung der Ausbringungs- bzw. Absatzmenge. Im Falle von Plattform-Geschäftsmodellen bzw. Wertschöpfungsnetzwerken muss vom jeweiligen Umfang der Nutzung des Kunden, für den er bereit ist zu bezahlen, ausgegangen werden.

Dies bedeutet im Folgeschluss, dass bei XaaS-Geschäftsmodellen mit Flatrate/Festpreislizenzen die Kostenstruktur überwiegend auf Fixkosten basieren wird. Im Rahmen von Pay-per-Use Modellen wird ebenfalls eine überwiegend fixe Kostenstruktur vorherrschend, welche zusätzlich aufgrund der Auslastung und Nutzung von Systemen und Komponenten um sog. Sprungfixe Kosten erweitert werden kann. Zusätzlich zur Kategorisierung der Kostenstruktur spielt hier noch das Wachstum der Nutzungsfälle eine erhebliche Rolle, da dies zur Steigerung der Fixkostendegression beiträgt.

Auf Basis der Ausführungen und der kurz dargestellten Einflussfaktoren zur Auswahl der Kennzahlen und KPI`s für XaaS-Unternehmen ist auf eine sorgfältige Auswahl der Werttreiber und dessen Kennzahlen bzw. KPI`s abzustellen. So individuell die Geschäftsmodelle und Unternehmer sind, so individuell muss das Steuerungssystem des Unternehmens konzipiert und aufgebaut werden.

Vor pauschalen Aussagen zu “Must-have”-Kennzahlen sollte Abstand genommen werden und stattdessen im Rahmen von “KYB - Know your Business” eine tiefgründige Analyse des Geschäftsmodells erfolgen. So mag es für SaaS-Unternehmen mit Pipeline-Geschäftsmodell durchaus sinnvoll sein, Kennzahlen und KPI´s wie ARR, MRR und CAC zu erheben und die Steuerung danach auszurichten. Für Plattform-Unternehmen hingegen mit transaktionsabhängigen Werttreibern können diese Kennzahlen kaum zur wertorientierten Steuerung Verwendung finden.

Benedikt Wagner - 12:57:13 @ Digitale Transformation, Finance, Controlling | Kommentar hinzufügen